Nuss-Schokocreme aufs Brot oder den Regenwald retten? Was in so vielen Produkten steckt, kann ja nicht so böse sein? Das Palmöl-Memorandum.
Wenn diese Regierung etwas wirklich Revolutionäres tun wollte, sollte sie Palmöl verbieten. Wie die neueste Werbekampagne einer Supermarkt-Biolinie zeigt: Es geht auch ohne. Wenn man will. Doch was hieße „palmölfrei“ im Alltag?
Wer nicht bereits Bioduschgel, Bioseife und Biocreme daheim stehen hat, kann ziemlich sicher alle Tiegel und Tuben, die im Bad stehen, getrost entsorgen. Dasselbe gilt für Schminke sowie Reinigungs- und Waschmittel praktisch aller bekannten Marken. Neben dem Biodiesel, der am allermeisten Palmöl verschlingt, ist auch nahezu alles, was irgendwie in einer Packung auf unseren Esstisch kommt, palmölhaltig: Tiefkühlpizzas, Nudelgerichte, Fertigsuppen, Knuspermüslis oder Aufstriche wie Margarine und – queen of the breakfast table – Nutella, sie alle kommen so wenig ohne das Zauberöl aus wie Kekse und Schokoriegel.
Böses Palmöl?
Was in so vielen Produkten steckt, kann ja nicht so böse sein. Also, was ist das Problem des natürlich orangefarbenen Fettes? Die Umweltberatung bringt es im Titel ihrer Broschüre auf den Punkt: „Palmöl – da steckt garantiert Regenwald drin“. Nun ja, traurig, aber – ganz ehrlich – der Regenwald ist weit weg und uns hier tut es ja nicht weh. Oder doch? Zehn Gründe, warum der Palmölhahn zugedreht gehört:
1) Palmöl wird in der Regel verarbeitet und bei hoher Erhitzung entstehen verschiedene Fettsäureester, die als hoden-, nieren- und leberschädigend oder krebserregend gelten.
2) Palmöl wirkt sich aufgrund seines hohen Anteils an gesättigten Fettsäuren (fast 50 %) schlecht auf Blutfettwerte sowie LDL-Cholesterin aus und fördert Gefäßverkalkung sowie Diabetes II.
3) Brandrodung und Abholzen des Regenwaldes werden eingesetzt um mehr Anbauland zu gewinnen. Dadurch wird der Boden ausgetrocknet, was enorme Mengen des etwa in den Torfmoorwäldern Indonesiens gespeicherten Kohlendioxyds freisetzt.
4) Schädigung der Menschen vor Ort durch Pestizide und Rauch.
5) „Amnesty International“ ortet systematische Ausbeutung der ArbeiterInnen, die weder arbeitsrechtlich noch gesundheitlich geschützt werden.
6) Kleinbauern und Ureinwohner werden vertrieben.
7) „Amnesty International“ ortet Kinderarbeit.
8) Ausrottung der Tiere, insbesondere gefährdeter Orang-Utan-Arten, Zwergelefanten und Sumatra-Tiger.
9) Auslaugen der Böden durch Monokultur, und Verschmutzung des Wassers durch Pestizide.
10) Zerstörung der Pflanzenwelt: die ja das Ziel der Brandrodung ist.
Gutes Palmöl?
Was ist so gut an raffiniertem Palmöl, dass es in so vielen Produkten steckt?
1) Palmfett hat gute Eigenschaften für die industrielle Verarbeitung, zum Beispiel macht es Seife geschmeidig.
2) Palmöl ist bei Zimmertemperatur fest.
3) Ölpalmen liefern einen viel höheren Ertrag als andere Ölpflanzen, daher hat Palmöl ein Drittel Marktanteil am weltweiten Pflanzenölmarkt. Palmöl ist auch viel billiger als andere Pflanzenfette, weil die Produzenten in keiner Weise für Schäden die sie anrichten bezahlen müssen.
Fazit: Palmöl zahlt sich für Produzenten und Industrie aus.
Was kann man tun?
Wenn man nun also doch etwas weniger oder etwas nachhaltiger produziertes Palmöl essen möchte, welche Lösungen gibt es? Zwar kann man natives Palmöl, das von kleinen Kooperativen angebaut wird, im Biomarkt kaufen, nur ist dieses rot, hat einen gewöhnungsbedürftigen Geschmack und ist viel teurer als sein raffinierter Bruder. Daher ist es entsprechend ungeeignet für die Verarbeitung im großen Stil.
Lösung 1: Zertifiziertes Palmöl
Zum Glück hat sich die Industrie RSPO-zertifiziertes Palmöl einfallen lassen, das einige Marken zumindest zum Teil einsetzen. Der WWF hat sich bereits 2004 mit Stakeholdern zusammengesetzt, um in der freiwilligen Initiative RSPO – das steht für Roundtable on Sustainable Palm Oil (Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl) – einen Plan für nachhaltigeres Palmöl zu entwerfen. Dann gibt es noch die Palm Oil Innovators Group (POIG), in der sich NGOs wie Greenpeace, Rainforest Action Network und der WWF sowie RSPO-Mitglieder für strengere Anbaukriterien einsetzten, bei denen die Produzenten weiterführende soziale und ökologische Bedingungen erfüllen.
Für Deutschland, Österreich und die Schweiz agiert zusätzlich das Forum Nachhaltiges Palmöl (FONAP), das die drei deutschsprachigen Märkte schnellstmöglich mit zertifiziertem Palmöl versorgen sowie Zertifizierungssysteme erweitern und verbessern möchte.
Wie die deutsche Umweltorganisation Rettet den Regenwald und andere NGOs erklären, ist die Vergabe solcher Siegel allerdings weder an den Verzicht auf Regenwaldrodungen oder Monokulturen geknüpft, noch beinhalten sie Klimaschutzmaßnahmen. Die Arbeitsbedingungen sind auf diesen Plantagen nicht unbedingt besser, auch nicht im Hinblick auf Kinderarbeit. Laut Berichten werden Menschenrechtsverstöße kaum geahndet und die Ureinwohner trotzdem teilweise vertrieben. Zudem werden noch immer giftige Herbizide, die die lokale Bevölkerung schädigen, eingesetzt. Wo genau das Öl eines Herstellers produziert wird ist meist nicht klar. Greenpeace versucht die Konzerne und ihre Fortschritte hin zu zertifiziertem Palmöl im Auge zu behalten.
Lösung 2: Tschüss Palmöl
Der Verzicht der Industrie auf Palmöl, sagt der WWF, sei nicht gut, weil dann mehr von den anderen Pflanzenölen produziert werden müsste und auch das würde Ressourcen, Tiere und Umwelt schädigen. Man müsse einfach überall nachhaltig anbauen. Ja klar, aber das würde zwangsläufig den Preis des Fettes erhöhen. Manche Konzerne und Marken nehmen das Palmöl inzwischen freiwillig aus ihrem Sortiment, wie zum Beispiel Ja natürlich oder die Italienischen Konzerne Barilla und Coop. Viele Nahrungsmittel, Seifen und Waschmittel gibt es schon seit Jahrzehnten. Diese wurden früher meist ohne Palmöl produziert. Das Gros der Konzerne, die viel Palmöl verarbeiten, wird freiwillig wohl kaum auf ein billiges Fett mit guten Verarbeitungseigenschaften verzichten, es sei denn, sie machen mit einem Palmölersatz noch bessere Geschäfte.
Wer die Palmölindustrie nicht mitfinanzieren will – und nicht an die Wirksamkeit von Zertifikaten glaubt –, kann das aber wohl nicht ohne persönlichen Aufwand. Das heißt konkret, nur noch naturbelassene Lebensmittel* und solche, die ohne „gehärtete Fette“ auskommen, zu kaufen sowie im persönlichen Haushalts- und Kosmetiksortiment auf alle Produkte mit Inhaltsstoffen, die zum Beispiel mit den Vorsilben cet-, coco-, oder laur- beginnen**, zu verzichten.
Fazit Palmöl
Die Produktion und der Anbau von Palmöl wirken zerstörerisch auf Klima, Menschen und Umwelt. Gut ist Palmöl für die Verarbeitung und die Produzenten. Vor allem ist Palmöl günstig, weil diejenigen, die die Schäden anrichten, nicht dafür bezahlen müssen.
Wenn wir Produkte mit raffiniertem Palmöl kaufen, unterstützen wir die Palmölindustrie. Mit dem Erwerb von palmölhaltigen Alltagsprodukten fördern wir die Zerstörung des Regenwaldes, die Beeinträchtigung des Klimas und die Schädigung von Menschen, Tieren und Umwelt.
* frisches Obst u. Gemüse, Konserven (Obst, Gemüse, Bohnen) u. Sauerwaren; Fleisch und Fleischwaren, Wurst, Fisch, Eier, Milchprodukte, Getreide-, Soja-Drinks und Joghurts, Mehl, Getreide, Pasta, Reis, Polenta, Hülsenfrüchte, Honig, Marmelade, Nüsse, und praktisch alle Getränke.
** Sowie: capr-, cetear-, cetyl-, coc-, glycer-, linol-, myrist-, ole-, und stear-