Es gibt zu wenig (günstige) Wohnungen. Sollen alle Wohnungen dem Richtwert untergeordnet werden? Sollten manche Mieten angehoben werden? Würde das den Leerstand reduzieren? Ein paar grundsätzliche Gedanken um Neu- und Altbau.
Wohnen oder nicht. In Wien. „In Wien haben wir eine Wohnungsnot“, sagen alle. „Da muss man bauen“, sagen die meisten. Das habe ich auch schon gesagt, ich gebe es zu. Aber stimmt das? Brauchen wir mehr Wohnungen, mehr Mietpreisbindung, damit wir günstigen Wohnraum für alle schaffen können? Wenn es eine einfache Antwort darauf gäbe, wäre es nicht Wien. Der Mietpreis ist ein plakatives Argument, aber die Wohnungsmarktsituation hängt mit einer ganzen Reihe anderer Faktoren zusammen.
Einerseits ist da der durch das Mietrecht geschützte Altbau, andererseits der Neubau und der Leerstand. Beginnen wir mit Letzterem. Leerstand gibt es, so wird vermutet, in großem Ausmaß. Je nach Schätzung und Definition stehen in Wien zwischen 10 000 und 35 000 Wohnungen leer. Manche werden Zweitwohnungen sein.
Leere Wohnungen gibt es aber auch im Gemeindebau. Oder wo die Mietzinse durch Vererbung von Mietverträgen (Friedenskronzins) extrem tief gehalten werden. Warum? Weil man sich so das Häuschen am Lande und die Wohnung in der Stadt leisten kann? Oder die günstige Wohnung für die Tochter oder den Enkel „aufbewahrt“? Weil der Mietzins nie wieder so tief werden wird? Vielleicht sollte man einen Mindestmietzins einführen, damit Raum nicht nur verwaltet, sondern tatsächlich bewohnt wird. Und alle alten Zöpfe wie die Mietvertragsvererbung gehören abgeschafft, weil sie zu sozialer Ungerechtigkeit führen.
Alt- und Neubau
Dass es davon abhängt, ob man im Alt- oder Neubau wohnt, ob man als Mieterin geschützt ist, ist unsinnig. Dass – unabhängig von der Ausstattung – im Altbau immer der Richtwertmietzins gilt, ebenso. Die in diesem Zusammenhang gerne zitierten Gründerhäuser wurden für die Arbeiterinnen errichtet, daher musste kostengünstig gebaut werden, weshalb sie heute sanierungsbedürftig sind. Doch wer investiert in eine Haussanierung, wenn die Kosten nicht über einen höheren Mietpreis hereingeholt werden können? Warum sollten Menschen Eigentum zum Vermieten im Altbau kaufen – was an und für sich eine vernünftige Anlage ist –, wenn der Richtwert, an den sie gebunden sind, in keiner Weise mit dem Kaufpreis korreliert?
Der zumindest temporäre Leerstand ist die logische Konsequenz. Kaufe ich sanierten Altbau, kann ich nur aus dem Wiederverkauf einen Gewinn erzielen. Und bis der Wert des Objektes gestiegen ist – sofern er das denn tut –, steht die Wohnung leer. Oder wird per Airbnbvermietet (wenn alle anderen Eigentümer im Haus auch eingewilligt haben).
Der Richtwert
Wenn über dem Richtwert* vermietet wird, kann die Mieterin klagen. Die Klagefrist ist in diesem Falle ziemlich lang: bei unbefristeten Verträgen bis drei Jahre nach Abschluss des Mietvertrages und bei befristeten bis sechs Monate nach Beendigung des Mietverhältnisses. Wo geklagt werden kann sind Anwältinnen nicht weit. „Miete runter“, „Mietfuchs.at“, „mietheld.at“ oder „mietenchecker.at“ plakatieren nicht nur in U-Bahn-Stationen, manche machen auch Hausbesuche („Sind Sie zufrieden mit Ihrer Miete? Wie viel bezahlen Sie denn?“). Nach amerikanischem Vorbild wird eine Zahlung an die Anwaltsgruppen erst beim Prozess fällig. Für die Mieterin lohnt es sich allerdings nur dann, wenn der eingeklagte Betrag wesentlich über der „Bagatellgrenze“ liegt. Tut er das nicht, wird das Geld von den Anwältinnen einbehalten. Das Verhältnis zur Vermieterin dürfte aber längerfristig gestört sein. Man kann seine Miete, auch ohne Anwältin, selbst mit dem Wiener Mietrechner prüfen oder beim Mietschutzverband prüfen lassen.
Wer als Vermieterin ein oder mehrmals geklagt und zur Kasse gebeten wurde hat vermutlich schwindendes Interesse an weiterer Vermietung und steigendes am Verkauf. Man kann auch argumentieren, dass einer Mieterin in den ersten sechs Monaten jedes Mietverhältnisses klarwerden könnte, ob sie zu viel bezahlt, und man könnte ihr wohl auch innerhalb von sechs Monaten eine Prüfung dieses Sachverhaltes zumuten. Im Neubau ist die Vermieterin wiederum gar nicht gebunden und die Mieterin gar nicht geschützt. Da stellt sich die Frage, wie sinnvoll das ist.
Um den Leerstand zu senken, sollte die Mietvertragsvererbung abgeschafft werden und ein Mindestmietpreis her. Dann sollte der Richtwert auch die Ausstattung berücksichtigen, damit Sanierungen im Altbau refinanziert werden können. Vermieten muss attraktiv sein, sonst wird es über kurz oder lang mehr Kauf- als Mietobjekte geben. Und das ist sozial kaum wünschenswert.
* Der Richtwert ist in allen Bundesländern unterschiedlich; in Wien haben wir, nach dem Burgenland, einen der niedrigsten.
Mietrechtliche Richtwerte pro m² in Österreich (ab 1.4.2017) | |
Richtwert Burgenland | € 5,09 |
Richtwert Wien | € 5,58 |
Richtwert NÖ | € 5,72 |
Richtwert OÖ | € 6,05 |
Richtwert Kärnten | € 6,53 |
Richtwert Tirol | € 6,81 |
Richtwert Steiermark | € 7,70 |
Richtwert Salzburg | € 7,71 |
Richtwert Vorarlberg | € 8,57 |
Quelle: http://www.mieterschutzverband.at/index.php?page=373 |
Der Richtwertmietzins gilt in Häusern, die vor 1953
in der Kategorie A oder B vermietet (und nach 1. März 1994 angemietet) werden und nicht über 130 m² groß sind.
Der Richtwert nach dem Mietrechtsgesetz gilt nicht für nicht geförderte Bauten nach 1953, für Dachausbauten oder für gewerblich genutzte Räume.